Vielleicht kennst du diese Geschichte? Ein Zen-Schüler fragt seinen Meister: „Was unterscheidet den Zen-Meister von einem Zen-Schüler?“ Der Zen-Meister antwortet: „ Wenn ich gehe, dann gehe ich . Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich schlafe, dann schlafe ich.“

„Wieso? Das mache ich doch auch.“

Der Zen-Meister antwortet: „Wenn du gehst, denkst du ans Essen und wenn du isst, dann denkst du ans Schlafen. Wenn du schlafen sollst, denkst du an alles Mögliche. Das ist der Unterschied.“

Es ist Winter. Seit Wochen friert es, in vielen Teilen Deutschlands liegt immer wieder dicker Schnee. Und seit dem 1. Januar hat alles was mit Instagram oder Interior beginnt Tulpen auf dem Tisch. Ich braucht auch immer direkt die Weihnachtsdeko weg. Ich lieb das Neue und wenn ich fertig bin, kann ich auch weiter machen. Weihnachten fertig, Sachen weg, nächste Phase. Dieses mal verlangsame ich mich innerlich. Ich habe alte Adventskerzen heraus gekramt und alle dicken, halbabgebrannten Kerzen in einen Ring ins Wohnzimmer gestellt. Sie werden die dunklen Morgen und Abende und Tage an denen es kaum hell wird durchleuchten, sie werden brennen und bis sie verbrennen wird irgendwann der Frühling kommen. Wir haben so lange auf Weihnachten gewartet.

Unser Weihnachtsbaum steht auf dem Balkon und als ich auf Instagram fragte, wie andere den Baum und damit den Winter verabschieden, wurde ich zwischen all den Stimmen von „der Baum muss sofort rau!“ und „Schnell Tulpen auf den Tisch!“ von eingen Followerinnen erinnert, dass der Winter erst am 21. Dezember begonnen hat und drei Monate dauert. Wir sind mitten drin im Winter – und ich denke an den Frühling. „Wenn Winter ist, denkst du an Frühling“ würde der Zen Meister vielleicht antworten. Oder Jesus: „Macht euch also keine Sorgen um den morgigen Tag! Denn der morgige Tag wird seine eigenen Sorgen haben“ (Matthäus 6:34, die Bibel)

„Die Sache mit der Zeit ist: Sie ist ein soziales Konstrukt. Jahrtausende lang haben unsere Vorfahren die Zeit durch Beobachtung des Himmels bestimmt. Sie ruhten, wenn es dunkel war und arbeiteten, wenn es hell war und markierten den Wechsel der Jahreszeiten durch Feste und Feiern. Die Zeitmessung mittels einer Uhr wurde erst im 1. Jahrhundert erfunden, als eine Gruppe von Mönchen einen Weg fand, ihre Gebetszeiten genauer zu beobachten. Manche mögen dies als einen Akt höchster Frömmigkeit bezeichnen. Man könnte es auch als einen Versuch sehen, unsere Hingabe zu verwalten und zu kontrollieren.

Doch Gott existiert jenseits dieses Konstrukts. Gott ist nicht an die Zeit gebunden, er ist nicht von der Zeit gehetzt und er ist noch beeindruckt davon, wie spät es ist.

Während wir uns stressen, dass wir zu spät kommen oder nicht mithalten können, ist Gott ruhig. Wenn unsere Uhren auf Mitternacht ticken und den Beginn einer neuen Stunde, eines neuen Tages und eines neuen Jahres markieren, meinen wir, dass wir diesen Moment ergreifen und neu beginnen müssen! Wir sollen uns vornehmen, es besser zu machen und besser zu sein!

Aber unser Körper weiß, dass das Unsinn ist. Veränderung geschieht nicht über Nacht, sondern allmählich, wie die Bäume und die Gezeiten.

Höre auf den Rhythmus deines Körpers, geh nach draußen und spüre das Überwintern der Schöpfung. Lass das Entfalten neuer Träume langsam, innerlich, geduldig geschehen und vertraue darauf, dass der Gott der IST sie dir zeigen wird. Lass die Sehnsucht nach Veränderung dein Inneres erschüttern, bis all deine eitlen Ambitionen wegfallen und nur noch die Sehnsucht nach ganzheitlicher Wahrheit übrig bleibt, welche Form diese auch immer annehmen mag. Leg deine Schuldgefühle ab, leg deine Scham ab.

Begrüße das neue Jahr wie einen alten Freund, mit der Leichtigkeit, die aus Vertrautheit und Vertrauen entsteht.“ (übersetzt von @carolinewyoga)

Und als ich letztens auf einem kleinen Auszeit-Trip mit meinem Mann zwischen Sturm und Wellen die Gezeiten der Nordsee bestaunte, beruhigte mich ihr ständiges Tanzen mit dem Mond, ihre Kraft und Beständigkeit. Ihr Kommen und Gehen, ihr selbstbestimmtes, verlässliches Formen der Natur. Und ich nahm mir vor, dieses Jahr meinen eigenen Rhythmus mehr zu spüren. Meine Lebensphase, die Jahreszeiten und den Zyklus meines Körpers, der wie die Gezeiten, wie die Jahreszeiten verlässlich durch mein Leben zieht. Ich will ihn mehr bestaunen, bewundern, mit ihm tanzen – anstatt mich in meinem Vorwärtseifer von ihm gestört zu fühlen.

Wusstest du, dass auch Männern einen Zyklus haben? Er dauert nicht 28 Tage, sondern 24 Stunden: „Mehrmals am Tag ändert sich der Testosteronspiegel des Mannes und demzufolge auch seine Empfindungen und Gefühle. Gegen Abend sinkt etwa der Hormonspiegel, was dazu führt, dass der Mann entspannter wird. Am Vormittag ist er dagegen besonders leistungsstark.“ (Berliner Morgenpost) Es ist keine Überraschung, dass die gesamte Arbeitswelt der westlichen Welt sich an diesem Zyklus orientiert, richtig? Wir arbeiten in der männlich leistungsstarken Zeit und ruhen, wenn ihr Testosteronspiegel sinkt und sie müde werden.“ Doch ich als Frau ticke in einem anderen Rhythmus. Und Dank meiner Selbstständigkeit kann ich mich sogar nach dem richten – wenn ich mich nicht selbst durch Druck und Eile aus dem Rhythmus schubse.

Für den weiblichen Zyklus gibt es ein Jahreszeitenmodell. Ich habe letztens an der August Hermann Franke Akademie ein Seminar zum „Zyklusbewusstsein“ besucht, das ich sehr empfehlen kann, falls es nochmal angeboten wird.

Der weibliche Zyklus besteht aus vier Phasen, die metaphorisch mit den Jahreszeiten verglichen werden können. Wie die Phasen des Menstruationszyklus hat zum Beispiel auch jede Jahreszeit ihre eigene Schönheit, ebenso wie ihre Herausforderungen.

Der Winter ist Tag 1-4 des Zykluses: Die Menstruation. Eine Zeit, die vielleicht hauptsächlich einen schlechten Ruf hat, weil Frauen in dieser Zeit nicht gut funktionieren. Vielleicht ist sie nur gemessen an einer männlich dominierten, chronologisch durchgesackteren Welt ein Manko. Doch in unserem Rhythmus hat sie ihren Platz. Es ist die Zeit zur Regeneration. Wie die Nacht zum Schlafen – wer würde die als Störung empfinden? Genau das Gleiche gilt für die Menstruation. Diese Zeit eignet sich besonders gut zum reflektieren, zum in sich gehen, zum Rückzug. Und dann kann sie reinigend und heilend wirken. Emotional haben wir in dieser Zeit manchmal mehr Stärke, um Dinge loszulassen und Klarheit zu schaffen.

Es folgt der Frühling von Tag 5-11: Die Follikelphase. In dieser Phase wächst das Follikel, die Gebärmutterschleimhaut baut sich langsam wieder auf und der Östrogenspiegel steigt. Wachstum steht an. In dieser Zeit sind Frauen oft motiviert, haben reine Haut, strahlen und haben wieder mehr Energie. Für neue Projekte, für Freunde, Dates und neue Kontakte. An diesen Tagen möchte ich manchmal noch gar nicht Feierabend machen, ich habe keinen abendlichen, männlichen Testosteronabfall. Ich bin hier wahnsinnig leistungsstark. Und das möchte ich in Zukunft viel mehr umarmen. Ich zwinge mich manchmal zu Pausen, denke es ist ungesund zu lange zu arbeiten, werfe mir vor rastlos zu sein. Dabei ist mein Drive ebensowenig falsch wie meine Sehnsucht nach Ruhe während der Menstruation. Ich will ihn mehr umarmen.

Von Tag 12-16 ist Sommer angesagt, da findet der Eisprung statt. Und die Energie erreicht ihr Maximum. „Deine Testosteron-, Dopamin- und Serotoninwerte sind auf dem Höhepunkt, genauso wie der Östrogenspiegel, der kurz nach dem Eisprung wieder absinkt. Während des Eisprungs seid ihr risikobereiter, strahlt und habt Lust auf Sex! Klar – jetzt könnt ihr schwanger werden. Die meisten von uns freuen sich schon immer auf ihren Eisprung, weil sie sich dann um diese Zeit am wohlsten in ihrem Körper fühlen. Und nicht nur ihr seht das, sondern auch alle anderen – um den Eisprung herum bekommt ihr wahrscheinlich das, was du willst. Diese Zeit ist perfekt für Gehaltsgespräche, Job-Interviews oder für Vorträge. Wir können unsere Ideen und Vorschläge überzeugender rüberbringen als sonst und problemorientiert arbeiten. Aber auch körperlich bist du auf dem Höhepunkt: jetzt ist die perfekte Zeit für Sex, Spaß und Sport.“ Lese ich in „Der Mestruationszyklus ist eine Superpower“ und freue mich schon jetzt darauf mein Hoch das nächste Mal noch mehr zu feiern. Ja, hier möchte ich länger wach bleiben, tun was mich bewegt, anstoßen, überzeugen, ins Tun kommen. Die Feste feiern, wie sie kommen!

Daran schliesst sich der Herbst an, die Lutealphase von Tag 17-28. Diese Phase ist spannend! Wusstest du, dass hier die Körpertemperatur um 0,4-0,6 Grad erhöht wird? Das liegt am Progesteronausstoß, der jetzt das Östrogen als dominantes Hormon ablöst und die Schleimhäute und der Gebärmutter auf eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet. In dieser Phase können wir besondern gut einschlafen und schlafen besonders tief. Der Körper wird wieder ruhiger und wir sind besonders gut darin, Dinge zu Ende zu bringen, auch Gewohnheiten aufzugeben und Routinearbeiten zu erledigen. Etwas, das mir nie zu liegen scheint aber ich sollte mir diesen Sweet-Spot der Routine-Liebe vermutlich dick mit Steuer, Emails und Kühlschrank aufräumen anstreichen.

„Die Sache mit der Zeit ist: Sie ist ein soziales Konstrukt. Jahrtausende lang haben unsere Vorfahren die Zeit durch Beobachtung des Himmels bestimmt. Sie ruhten, wenn es dunkel war und arbeiteten, wenn es hell war und markierten den Wechsel der Jahreszeiten durch Feste und Feiern.“ schreibt Caroline Williams.

Ich halte mein Gesicht in den salzigen Nordseewind. Ich atme ein. Atme aus. Spüre die Kälte des Winters, ich sehe die Flut den langen Strand erobern. Die Wellen rollen gleichmäßig hin und her. Bald wird es dunkel. Es ist um mich herum und in mir drin: Ein Lebensrythmus. Keine unbarmherzige Uhr, keine tickenden Zeiger, keine Minute die nie mehr wiederkommt. Es ist ein Tanz, ein Schwingen, das sich durch meinen Körper und meine Hormone zieht. Ich erahne die Schönheit hinter einem Leben, das mehr in mich hinein hört als auf die Uhr sieht. Ein Leben, das in einer Welt voller 24-Stunden-Tage und tickender Uhren gestaltet werden möchte und doch bei mir bleibt. Mich wahrnimmt, weiß was gerade los und was dran ist und barmherzig und fröhlich im Rhythmus lebt der wie die Jahreszeiten immer wieder neue Schönheit hervor bringt.

Hinterlasse einen Kommentar